An der Gesamtschule Suolahti beginnt der Unterricht für die Klassen 7-9 um 9 Uhr und endet um 15 Uhr. Dazwischen liegen sechs Unterrichtsstunden á 45 Minuten. Der Rest ist Pause. Nach jeder einzelnen Stunde gibt es 15 oder 30 Minuten frei. Und nein, die Schule ist in der Hinsicht nichts Besonderes, das ist überall in Finnland so. Die finnischen Schüler haben gefühlt ständig Pause. Aus Deutschland kenne ich das so nicht. Da kriegt man sechs Unterrichtsstunden easy bis 13 Uhr durch. 8 Uhr Auftakt, zwei Pausen, feddich is der Lack.
Um die zahlreichen Pausen sinnvoll zu füllen, sind die Schulen gut ausgestattet. Kunstrasenplatz zum Bolzen, Halfpipe zum Skaten/Scootfahren und Kletterparcours zum Austoben im Pausenhof sind eher Regel als Ausnahme. Hofpausen sind Standard, unabhängig von Wetter oder Temperatur.
Das hat seine Vorteile. Viel Gehetzte und Gerenne fällt weg, das Tempo im Schulhaus ist gemächlicher. Man muss nicht am Stundenende um 8:45 Uhr aus der 6b im 1. Stock den Gang vor, die Treppe runter, durch die Aula, vielleicht sogar durch den Pausenhof in den Neubau um um 8:45 Uhr (!) in der 8a zu sein. Und ja nicht zu spät kommen, die 8a ist dafür bekannt, dass sie ohne Aufsicht schnell durchdreht.
Manche Kollegen kennen möglicherweise auch das Phänomen, dass 15-minütige Pausen in Deutschland vorüber sind, bevor man überhaupt Gelegenheit hatte, sich hinzusetzen oder die Toilette zu besuchen. Material einpacken, Schüler rauswerfen, Klassenzimmer absperren, auf dem Weg ins Lehrerzimmer ein paar Fragen beantworten, den Vertretungsplan checken, noch eine Seite Unterrichtsmaterial kopieren und vor dem Sekretariat kurz in Smalltalk verwickelt werden. Zack, ist die Pause rum, ohne dass es sich wie „Pause“ angefühlt hat. So vergehen schon mal 6 Unterrichtstunden, ohne dass man durchschnaufen konnte, oder etwas trinken. Dies kann in Finnland zwar auch passieren, aber aufgrund der häufigeren Ruhephasen entzerrt sich das hektische Treiben enorm. Und der Unterricht kann pünktlich anfangen, da die Schüler keinen Grund haben, sich eigenmächtige Zwischenpausen zu kreieren und die Lehrer rechtzeitig vor Ort sein können. Theoretisch trägt all das zu einem ergiebigeren Unterricht bei: die Schüler sind frischer, die Konzentration höher, die Leistungen besser.
Pausen kosten allerdings Zeit. Entweder der Schultag wird länger oder die Unterrichtszeit kürzer. Die Finnen nehmen beides in Kauf, um die Unterrichtsqualität zu optimieren. Mit Widerstand durch die Ministerien (Stoff kürzen? Nicht mit uns!) und Eltern (Noch längere Schultage? Nicht mit uns!) wäre bei uns zu rechnen.
Wissen die Schüler all das zu schätzen? Die Antwort ist ein klares „Naja…“. Die Kleinen sind in ihren Pausen noch ziemlich aktiv unterwegs und nutzen die Angebote, aber ab der 7. Klasse nimmt das deutlich ab. Viele Schüler sind mit ihren Handys völlig glücklich und pfeifen auf die Bewegungsangebote. Tiktok, Among Us, Insta, damit lässt sich jede Leerlaufphase überbrücken. Im Praxistest zeigt sich deshalb leider, dass ab der Mittelstufe die Pausen nur bedingt ihre Ziele erreichen. Viele Schüler hängen einfach ab und dabei am Handy. Abhängen (finnisch: hengata) ist wichtig, aber im Übermaß führt es nicht mehr zu Revitalisierung, sondern zur Erschlaffung, insbesondere, wenn die Pausen völlig passiv von statten gehen und, wie der Unterricht, im Wesentlichen aus sitzen und starren bestehen.
Fazit: Prinzipiell eine gute Idee. Viele Lehrer und Schüler in Deutschland könnten ein geruhsameres Tempo gut gebrauchen, mit mehr bzw. längeren Pausen könnte man den Schultag problemlos entzerren. Man kann es aber auch übertreiben und die Rahmenbedingungen, sprich Angebote, müssen stimmen Ein Mittelweg wäre ideal.
Und wer jetzt sagt, die Lösung wäre doch ganz einfach: Handyverbot, so wie es an vielen deutschen Schulen Praxis ist, der hat zwar Recht, doch wird sich in ein paar Jahren von der Realität eingeholt sehen. Bald wird sich eine solche Regelung nicht mehr flächendeckend durchsetzen lassen.